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Die künstlerische Kontextualisierung eines Wohnhauses mit herausforderndem Hintergrund.

Wir haben unser Haus nach den mutigen Mädchen umbenannt, die sich gegen den ihnen angetanen Missbrauch gewehrt haben. Sie hatten den Mut den Mächtigen entgegenzutreten. Sie hatten die Courage sich den harten Befragungen vor Gericht, den Blicken und Gesprächen der urteilenden Gesellschaft zu stellen.

 

Wir wollen uns diese Mädchen und deren Mut zum Vorbild nehmen. Drei Mädchen stellvertretend für die Millionen Mädchen und Jungen, die sexuelle Gewalt erleiden mussten und müssen.

 

Wir wollen dazu beitragen, dass das Tabu über Missbrauch zu sprechen weiter fällt. Als Gesellschaft dürfen wir den Tätern nicht ermöglichen, in der Dunkelheit des sprachlosen Raums zu agieren.

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Haus

Haus Erika Ida Marie

Warum benennen wir unser Wohnhaus nach drei Mädchen?

Bei der mobilen, temporären künstlerischen Kontextualisierung unseres Hauses, welches ursprünglich vom Architekten Adolf Loos erbaut wurde, ist uns wichtig die drei tapferen Mädchen in den Vordergrund zu stellen, die um 1930 den Mut hatten bei Gericht gegen Adolf Loos auszusagen. Das in einer Zeit, als ein „nobler Herr“ als unangreifbar galt. Es geht uns nicht darum einen Täter an den Pranger zu stellen, sondern den Opfern eine Bühne zu geben. Wir möchten einen Beitrag zum Diskurs, einen weiteren Schritt zum gesellschaftlichen Umdenken und zu einer unabdingbaren gesellschaftlichen Veränderung leisten. Denn alle großen Veränderungen der Geschichte gingen von einer kleineren Gruppe der Gesellschaft aus. Sie sind für uns in der Beschäftigung und Umsetzung längere Zeit unangenehm, doch wenn genug Beschäftigung und Bewusstmachung stattgefunden hat, sind diese Werte in unserem Bewusstsein angelangt und in unseren Gesetzen verankert.

 

Adolf Loos war ohne Zweifel ein begnadeter Architekt und Visionär. Doch er war noch etwas Anderes. Er war auch ein verurteilter Pädophiler. Angeklagt wegen „Verbrechens der Schändung“ und „Verbrechens der Verführung zur Unzucht.“ Verurteilt wurde er wegen „Verbrechens der Verführung zur Unzucht.“

Die Gerichtsakte „Loos“ galt lange als verschollen und wurde 2015 bei einer Wohnungsauflösung entdeckt. Sie ist nun frei zugänglich und abrufbar unter 

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Strafprozess_Adolf_Loos

 

Die weiblichen Opfer waren zur Zeit des Missbrauchs alle unter 10 Jahre alt.

 

Gustav Scheu war der erste Besitzer und Bauherr dieses Hauses. Er vertrat Adolf Loos bei den Gerichtsverhandlungen als Anwalt und Verteidiger. Zudem agierte er auch als dessen Sprachrohr gegenüber den Medien und beeinflusste diese im Sinne des Angeklagten.

Theorie

Weder nur gut,
noch nur böse

Wie helfen theoretische Begriffe wie Idealisierung und Spaltung unsere Rekontextualisierung besser zu verstehen?

Wenn wir Adolf Loos idealisieren, dann sehen wir nur den großartigen Architekten in ihm, schweigen über seine dunklen Taten und spalten einen Teil seiner Persönlichkeit ab. Spaltung ist ein frühkindlicher psychischer Zustand. Als Kinder machen wir dies, solange wir noch keine Integration von Gut und Böse des eigenen Selbst und der uns umgebenden Menschen gelernt haben. Es bleibt als Zuschreibung nur gut oder nur böse über.

Auf diese Art versuchen wir als kleine Kinder vereinfachend mit der Welt umzugehen, dann ist alles klar, es gibt nur Schwarz und Weiß und wir können das Böse in die Menschen um uns auslagern, also auf Andere projizieren. Somit schützt uns die Spaltung als kleine Kinder davor, uns mit unseren eigenen bösen und guten Anteilen beschäftigen zu müssen. Später lernen wir, dass wir beide Anteile in uns tragen und dass es unsere Verantwortung ist, mit diesen Anteilen umzugehen. Wir können nun unsere Schwächen erkennen und an diesen arbeiten.

 

Warum ist es für viele von uns so schwer aushaltbar, dass begnadete Menschen auch Schwächen, Fehler und psychische Krankheiten haben? Zeigt es uns zu brutal auf, dass auch wir menschlich und fehlerhaft sind? 

Motivaton

Ein Impuls zum Umdenken

Was ist die Motivation zur künstlerischen Kontextualisierung unseres 'berühmten' Wohnhauses?

Es ist erstrebenswert, dass wir als Gesellschaft das kindliche, spaltende Entwicklungsstadium überwinden, unsere eigenen guten und bösen Anteile – unsere Stärken und Schwächen – annehmen, sie gegebenenfalls bearbeiten und integrieren lernen. Dann müssen wir andere Menschen nicht mehr idealisieren.

Somit war Adolf Loos weder nur begnadeter Architekt, noch nur Pädophiler. Er war beides. Es scheint uns Menschen schwer zu fallen zwei so divergente Pole bei berühmten Menschen zu vereinen. Nur wenn wir das schaffen, können wir auch über grässliche Taten sprechen, die nach wie vor in unserer Gesellschaft geschehen. Wir müssen als Gesellschaft laut und klar Position beziehen, damit wir Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern in der Gegenwart und Zukunft verhindern können. Denn wenn wir als Gesellschaft, auf breiter Ebene, sprechen und stark Position beziehen, lernen die Täter, dass sie nicht mehr in der Dunkelheit des sprachlosen Raums agieren können! Auch Gesetze und Präventionsmaßnahmen werden überarbeitet, wenn sich der Diskurs und die Akzeptanz in der Gesellschaft ändert. 

 

Das Tabu über Missbrauch zu sprechen, muss noch weiter fallen. Eine Täter-Opfer Umkehr muss aus unseren tiefsten Glaubenssätzen verschwinden. Es darf nicht etwa Thema sein, ob der Täter berühmt ist. Es darf nicht interessieren, ob ein Mädchen zu später Stunde auf der Straße geht oder was sie anhat.

 

Es muss uns aber berühren, welch lebenslange psychische Leiden missbrauchte Kinder haben und wie unsere Gesetzeslage bei der Bestrafung der Täter aussieht. Niemand darf die Grenzen eines anderen Menschen und schon gar nicht eines Kindes überschreiten. Hinter jedem Kindesmissbrauchsbild oder -film stehen missbrauchte, gequälte, körperlich und psychisch leidende Kinder. Bereits das Anschauen dieser Bilder stellt Missbrauch dar. Selbst wenn ein Täter beim Konsum das Kind 'nur' mittelbar missbraucht, so billigt und unterstützt er damit, dass Kinderseelen und -körper lebenslang geschändet und zerstört werden.

 

Wir haben das Haus nach den mutigen Mädchen umbenannt, die sich den harten Befragungen vor Gericht und den Blicken und Gesprächen der urteilenden Gesellschaft gestellt haben. Wir wollen uns diese Mädchen und deren Mut zum Vorbild nehmen.

 

Drei Mädchen stellvertretend für die Millionen Mädchen und Jungen die sexuelle Gewalt erleiden mussten und müssen.

Wir sind dankbar, in diesem schönen Haus leben zu können und nehmen unsere Verantwortung als Menschen, Erwachsene, Eltern und Therapeuten wahr, um eine reife, integrierende Gesellschaft mitzugestalten.

Mag.a Nadja Holstein, Psychoanalytikerin

und gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Stefan Tweraser

Besitzer:In des Wohnhauses Larochegasse 3, 1130 Wien

Quellen

Quellen und Zitate

„Wenn er [der Täter] ein 'nobler Herr' war wie Adolf Loos, wurde ihm geglaubt, wurde er doch a priori als moralisch höherstehend bewertet. Und es wurde ihm verziehen, selbst wenn die Beweislast und die Absurdität seiner abenteuerlichen Rechtfertigungsargumente unübersehbar waren. Diese Denkweise wird noch immer propagiert: Noch immer sehen sich solche Sozialdarwinisten mit finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem, network-basiertem oder nur medialem Prestige als Wohltäter à la 'Sie hat durch mich doch Vorteile gehabt!'.“

Mag.a Dr.in Rotraud A. Perner

Architekt, Theoretiker, Verurteilter: Der Fall Adolf Loos

https://www.derstandard.at/story/2000122407475/architekt-theoretiker-verurteilter-der-fall-adolf-loos

“Der frühere Wiener Stadt- und Gemeinderat Gustav Scheu vertrat seinen Freund und Klienten Loos nicht nur als Anwalt vor Gericht, sondern auch in den

Medien, indem er diese in Loos’ Sinn über den Fall informierte, das prozessentscheidende Thema 'Kinder als Zeugen' medial problematisierte und maßgeblich die Berichterstattung lenkte. [...] Unmittelbar nach der Gerichtsverhandlung gegen Adolf Loos wurden die drei Mädchen, die er missbraucht hatte, 'unter die fürsorgliche Aufsicht des Jugendgerichtes' gestellt. Im Fall der Neunjährigen wurde sogar die Einweisung in eine geschlossene Erziehungsanstalt beantragt, der Acht- und der Zehnjährigen dagegen nur angedroht, dass sie mit einer 'Anhaltung' in einer solchen Anstalt zu rechnen hätten, falls 'gegen sie abermals Klage geführt werden sollte'.“

Dr. Andreas Weigel

Affäre: Neue Details zum Pädophilieprozess um Adolf Loos

https://www.profil.at/kultur/affaere-neue-details-paedophilieprozess-adolf-loos-5595309

 

Strafprozess Adolf Loos

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Strafprozess_Adolf_Loos

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